Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr - konkrete Gefahr

| Strafrecht

StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3

„[Rn. 7] aa) Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. März 2019 – 4 StR 517/18, NStZ 2020, 225, 226 mwN; Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 zu § 315c StGB mwN). Für die Annahme einer konkreten Gefahr genügt es daher nicht, dass sich Menschen oder Sachen in enger räumlicher Nähe zum Täterfahrzeug befunden haben (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2019 – 4 StR 517/18, NStZ 2020, 225, 226; Beschluss vom 3. November 2009 – 4 StR 373/09 Rn. 6). Umgekehrt wird die Annahme einer solchen Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete – etwa aufgrund überdurchschnittlich guter Reaktion – noch zu retten vermochte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 4 StR 528/20, NStZ-RR 2021, 187, 188; Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131, jew. zu § 315c StGB; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 315c Rn. 15a). Auch wenn an die insoweit zu treffenden Feststellungen und die zugrundeliegende Beweiswürdigung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen und deshalb genaue Angaben zu Entfernungen, Geschwindigkeiten oder Bremsverzögerungen keine notwendige Bedingung für eine ausreichende Sachverhaltsbeschreibung sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 725/24, NJW 1995, 3131 f. mwN), muss sich aus den Darlegungen im Urteil aber gleichwohl hinreichend deutlich ergeben, dass es zu einer hochriskanten Situation gekommen ist. Dabei kann es von indizieller Bedeutung sein, dass zur Vermeidung eines Schadensfalls alle vorhandenen technischen Möglichkeiten der beteiligten Fahrzeuge ausgeschöpft (Vollbremsung) oder gefährliche, weil nicht mehr kontrollierbare, Ausweichmanöver vorgenommen werden mussten. Gleiches gilt, wenn massive Kontrollverluste eingetreten sind.“

BGH, Beschluss vom 20.05.2025 - 4 StR 168/25 - LG Hildesheim

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